Ingenieur und Erfinder, Gründer der Harras-Werke in Berlin-Lichtenberg
Geboren am 23. September 1875
Gestorben am 22. September 1951
In der Lichtenberger Rittergutstraße gründete der Ingenieur Willy Abel 1912 den Hauptsitz der Harras-Werke, eine der ersten Haushaltsmaschinenfabriken in Deutschland. Der Unternehmensgründer Willy Abel gilt als „Vater der deutschen Haushaltsmaschinen-Industrie“ und Wegbereiter moderner Küchengeräte.
Willy Abel stammte aus dem Rheinland und wurde am 23. September 1875 geboren. Zur Schule ging er in Trier. Nach seinen eigenen Angaben besuchte er von 1889 bis 1892 die dortige Gemeindeschule. Im Anschluss daran wurde er Technischer Lehrling in der Maschinenfabrik und Eisengießerei Ed.Lais & Co., die ebenfalls in Trier ansässig war. Nach einer dreijährigen Lehrzeit arbeitete er dort Technischer Volontär und Betriebs-Direktions-Assistent. Bereits in dieser Zeit zeigte sich was später zur Grundlage seiner Karriere werden sollte: sein außergewöhnlicher Erfindungsdrang. 1893, Willy Abel war gerade 18 Jahre alt, meldete er sein erstes Patent an. Er erfand, die später in der ganzen Welt eingeführte, Zahnräderform-Maschine. (Zahnräderform-Maschine DRP. Nr. 71833 vom 29.04.1893)
Doch Willy Abel zog es fort von Trier, die nächsten fünf Jahre, bis 1898, arbeitete er als erster Konstrukteur für Werkzeugmaschinenbau im Konstruktionsbüro der Königlichen Gewehrfabrik in Spandau. Weiterbildung war für ihn offensichtlich sehr wichtig, denn in dieser Zeit war er gleichzeitig Hörer an der Technischen Hochschule Charlottenburg. Zwischen 1898 und 1899 arbeitete er als Leitender Ingenieur des Berliner Patentbüros Brögelmann & Hirschlaff.
Um sich seinen eigenen Innovationen und Erfindungen besser widmen zu können, entschließt sich Willy Abel ab 1899 als freiberuflicher Konstrukteur zu arbeiten. In den Jahren bis 1906 meldet er für ihn wichtige Patente an, die er in der Folgezeit verwertet und weiterentwickelt. So baut er für die Deutsche Reichspost den ersten Briefmarken-Automaten. Auf dieser Grundlage entstehen weitere Wertzeichen-Automaten, eine Rotationsdruckmaschine für Briefmarken und dergleichen mehr.
Als er im Jahr 1906 seinen Wertzeichen-Automaten der Öffentlichkeit vorstellt, war dies bereits sein viertes Modell an dem er arbeitete. Das neue an diesem Gerät war, dass nach dem Einwurf eines Geldstücks, ohne weitere äußere Einwirkung, der Automat in Betrieb gesetzt wurde. Auf diese Weise konnten Briefmarken, Postkaten, Bahnsteigkarten u.ä. verkauft werden. Es war das Ergebnis einer insgesamt achtjährigen Arbeit.
Für die Verwertung dieser Patente wurden mehrere Firmen gegründet. Zwischen 1906 und 1908 war Willy Abel Technischer Direktor der Abelschen-Postwertzeichen-Automaten-Vertriebsgesellschaft (später Deutsche Abel-Postwertzeichen-Automaten AG) und der Eisenbahnfahr- und Bahnsteigkarten AG in Staaken bei Spandau. Im Jahr 1907 gründet er die W. Abel & Co. GmbH in Berlin-Schöneberg.
Dass seine Erfindungen auch international erfolgreich sind zeigt seine Teilnahme an einer Ausstellung in Mailand im Jahr 1906. Dort erhält der Abelsche-Postwertzeichen-Automat eine goldene Medaille. Folgerichtig ist dann auch der Verkauf zahlreicher seiner Patente ins Ausland.
Interessant ist in diesem Zusammenhang der Gesellschaftervertrag der Internationalen Abelschen Briefmarken-Automaten Vertriebsgesellschaft vom 19.12.1907. Zum Gegenstand des Unternehmens heißt es im § 2 u.a., dass es um die bisher betriebenen Geschäfte und um die Verwertung der gegenwärtigen und zukünftigen Erfindungen des Ing. Willy Abel auf dem Gebiet von Briefmarken-, Billets-, Fahrscheinen- etc. Automaten geht. Im § 5 werden die Patente und Schutzrechte im Ausland aufgeführt. Daraus erfährt man, wohin und in welcher Anzahl Patente verkauft wurden: nach Frankreich, England und Amerika jeweils 3, nach Österreich, Italien, Ungarn, Schweden, Dänemark, Norwegen und in die Schweiz jeweils 2 und nach Belgien, Rußland Spanien, Canada, Rumänien und Japan jeweils 1 Patent. Der Verkauf der Patente an die Deutsche Reichspost und die ausländischen Postdirektionen machte Abel zu einem reichen Mann.
Das Jahr 1907 war für Willy Abel auch privat bedeutsam, in diesem Jahr heiratete er Margarethe Drosse.
Ab dem Jahr 1908 konzentrierte sich Willy Abel auf die Entwicklung und Herstellung von Haushaltsgeräten. In dem Jahr begann er mit der Produktion einer gestanzten Reibe. Wie innovativ er bei der Erfindung von Haushaltsgeräten ist, zeigt die breite Palette seiner Erzeugnisse, die er in Massenproduktion herstellen ließ. Eigens dafür gründete er im Jahr 1912 die Harras Werke in Berlin-Lichtenberg, deren Alleininhaber und alleiniger Geschäfts- und Betriebsleiter er war. Auf einer Fläche von ca. 4.000 m², versehen mit einem eigenen Gleisanschluss, wurden hier Haushaltsprodukte aller Art hergestellt. Das beständigste seiner Produkte, das er über viele Jahrzehnte produzierte, war ganz zweifelsohne der Brotschneider mit Kreismesser. Eine seiner kleineren aber sehr erfolgreichen Erfindungen war der Eierschneider. Unter dem Namen Harras-Original-Eierteiler war er Abels erster Massenartikel mit einem weltweiten Absatz, von dem in kürzester Zeit ca. 10 Millionen Stück verkauft wurden. „Harras in alle Welt“ unter diesem Slogan begann er sehr erfolgreich seine Haushaltsgeräte zu vermarkten. Seine größten Erfolgte erzielte er in den USA, wo es bereits einen Markt für Massengüterproduktion gab. Zwischen 1918 und 1923 entstanden Niederlassungen in New York und London.
Um der ständig steigenden Nachfrage gerecht zu werden, musste Willy Abel seine Produktionskapazität erweitern. So entstand im Jahr 1918 das Werk II, eine Eisengießerei und Maschinenfabrik in Ferdinandshof in Vorpommern. Modern ausgebaut lieferte sie monatlich 300 Tonnen Rohgußteile, die dank des Bahnanschlusses schnell nach Lichtenberg zur Weiterverarbeitung geliefert werden konnten. Im Jahr 1920 folgte das Werk III, ebenfalls in Ferdinandshof, in dem die Holzteile für die Haushaltsgeräte gefertigt wurden. Die Harras-Werke gehören zu den wenigen, die die 1923 in Deutschland ausbrechende Wirtschaftskrise relativ unbeschadet überstanden. Harras-Produkte kannte man in den 20er Jahren in der ganzen Welt.
Zu einem tiefen Einschnitt kam es zu Beginn der 30er Jahre mit dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise. Der Zusammenbruch des Weltmarktes machte auch vor den Toren der Harras-Werke keinen Halt. Willy Abel war gezwungen seine ausländischen Niederlassungen abzustoßen und die Produktionsstätten in Vorpommern zu schließen. Einzig das Werk in Lichtenberg blieb erhalten.
Um die Zeit des Ausbruchs des 2. Weltkrieges erkrankte Willy Abel schwer an Diabetes. Die Krankheit nahm einen so heftigen Verlauf, dass ihm ein Bein amputiert werden musste. Die letzten Kriegsjahre verbrachte er an der Ostsee. Immerhin konnte er sich nach wie vor als Konstrukteur betätigen.
Obwohl Lichtenberg während des Krieges schwer bombardiert wurde, waren die Harras-Werke vergleichsweise glimpflich davongekommen. Lediglich eine Halle (944 m²) war durch Fliegerbomben stark zerstört worden. Das Fabrikgelände und das dazugehörige Wohnhaus in der Rittergutstraße 106/107 (heute Josef-Orlopp-Straße 89 – 91), das die Familie Abel seit dem Jahr 1916 bewohnte, wurden am 23. April 1945 von sowjetischen Soldaten besetzt.
Die Harras Werke gehörten aber zu einem der wenigen Betriebe im Ostteil der Stadt, die nicht enteignet wurden.
Seit Anfang März 1946 hatten die Harras-Werke wieder 500 – 600 m² ihrer ehemaligen Fabrikräume in Benutzung. So gelang Willy Abel, trotz aller Probleme bei der Versorgung mit Rohstoffen ein erfolgreicher Neubeginn. Brotschneidemaschinen, Reibeisen und Gardinenbleche gehörten zu den ersten Produkten, die wieder produziert wurden. Willy Abel, der sich Zeit seines Lebens dadurch auszeichnete, dass er seine Produkte nicht nur erfand, sondern auch selbst produzierte und erfolgreich vermarktete, legte alle seine Kraft in diesen Neuanfang. Dabei machte er keineswegs vor den Toren seines eigenen Betriebes halt.
Dies geht auch aus einem Schreiben vom 8. Februar 1947 an den Magistrat von Groß-Berlin, Abteilung Volksbildung, Hauptamt Wissenschaft und Forschung hervor. Darin geht es um frühere und gegenwärtige Leistungen. Es zeigt, wo er selbst seine Prioritäten setzte, und stellt so etwas wie ein Vermächtnis des Willy Abel dar. In Einzelnen benennt er darin:
Insgesamt waren es 63 Erfindungen, die Willy Abel im Laufe seines Lebens patentieren ließ. Hinzu kamen die Schutzrechte für 100 seiner „kleineren Erfindungen“.
Die weitere Entwicklung sollte Abel jedoch nicht mehr teilhaben. Einen Tag vor seinem sechsundsiebzigsten Geburtstag am 22. September 1951 verstarb er, hier in Berlin-Lichtenberg.
Foto: Archiv Museum Lichtenberg
Quellen:
Fabrikstadt Lichtenberg
Bergauf – Bergab im Berliner Osten
Lichtenberger Beiträge Heft 3, 1997
Landesarchiv Berlin
C Rep. 105 Nr. 23560
C Rep. 105 Nr. 36212
A Rep. 342-02 Nr.390
Archiv Museum Lichtenberg
Schreiben vom 08.02.1947 von W. Abel an den Magistrat von Groß-Berlin