Die Lichtenberger Industrie und ihre Pioniere

Lichtenberg als Industriebezirk ist heute den wenigsten Menschen noch vorstellbar. Aber die Entstehung der Stadt Lichtenberg und ihre Funktion als 17. Verwaltungsbezirk von Groß Berlin oder als Hauptstadtbezirk in der DDR ist ohne Industrie nicht denkbar. Die Industriegeschichte ist mit einer rasanten Entwicklung von Unternehmen mit beachtlicher Größe und mit Unternehmern mit herausragenden Leistungen verbunden.

Das Dorf Lichtenberg war an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert in den Sog der ganz Berlin erfassenden Industrialisierung geraten. Eine Zeitungsveröffentlichung von 1905 stellt Lichtenberg als das „größte Dorf Deutschlands“ vor. Das Leben der damals ca. 40.000 Lichtenberger war von allen mit der Industrialisierung verbundenen Folgen betroffen - von ländlicher Idylle keine Spur.

Mit Gründung des 17. Verwaltungsbezirkes von Groß Berlin 1920 wohnten in Lichtenberg über 180.000 Einwohner. Mitte der Zwanzigerjahre waren 1.226 Unternehmen registriert. Lichtenberg war zum größten im Berliner Nordosten gelegenen Industriestandort geworden.
Es gab 103 Betriebe der Metallverarbeitung, 87 zur Maschinen- und Apparateherstellung,13 Chemie-,170 Textil- und Bekleidungsunternehmen, 600 Betriebe der Nahrungs- und Genussmittelproduktion. Knorrbremse, Großkraftwerk Klingenberg, Eckert-Maschinenbaufabrik, Aceta-Chemiefabrik und Siemens-Plania zählten zu den großen, die Signalanlagenbauer Julius Gast KG und Paul Weinitschke GmbH, die Harras Werke sowie Venetia Schokoladen und Zuckerfabrik zu den renommierten Mittelständlern.

Industriepioniere

Schon in Zeiten des ersten Berliner Gründerbooms hatte der Schlossermeister Heinrich Ferdinand Eckert 1848 für das heutige Lichtenberger Territorium mit seinen Werkstätten zur Herstellung landwirtschaftlicher Maschinen den Grundstein für eine über seinen Tod 1875 hinaus reichende unternehmerische Erfolgsgeschichte gelegt. Die ersten Eckert-Werke am heutigen Weidenweg, ab 1857 an der Kleinen Frankfurter Straße und ab 1895 an der Frankfurter Chaussee, waren die erste dauerhafte und große Industrieansiedlung in Lichtenberg. Der Pionier des Landmaschinenbaus produzierte nicht nur, er erfand eine Vielzahl von Maschinen, die bis 1931 zur Schließung des Werkes weltweit Anerkennung und Absatz fanden.  Die Verbindung von Wirtschaft, Wissenschaft und Technik machte weitere Unternehmer aus Lichtenberg zu erfolgreichen Beförderern der “industriellen Revolution“. Zu ihnen gehörte u.a. Paul Mendelsohn-Bartholdy, der 1864 in Lichtenberg die erste Chemiefabrik zur synthetischen Farbgewinnung gründete. Die Agfa und spätere Aceta ging 1925 in der IG Farben auf. Von da an stellte der Betrieb Kunstseide und 1938 das erste Perlon her. Der Ingenieur Georg Knorr legte 1893 mit dem Erwerb der Bremsenfabrik in der Cöpenicker Straße 113 den Grundstein für eine unternehmerische Erfolgsgeschichte internationalen Ranges. Die hier und  in der Neuen Bahnhofstraße 11-12 entwickelten Einkammer-Luftdruckbremsen fanden Deutschland- und weltweit zuerst bei der Bahn, später im Flugzeug und Automobilbau Anwendung. Die Firma zählte 1938 ca. 5000 Beschäftigte.

Willy Abel gründete 1912 die erste Haushaltmaschinenfabrik Deutschlands. Der Ingenieur erfand u.a. die Brotschneidemaschine mit Drehmesser und den Eierschneider. 63 Erfindungen ließ er patentieren und war mit ihnen weltweit erfolgreich.
Auch ein Hohenschönhausener Unternehmer, Paul Schmidt, der allerdings in Wedding produzierte, entwickelte eine noch heute nicht weg zu denkende Erfindung: die Trockenbatterie.

Im Nationalsozialismus waren viele Unternehmen an der Kriegsproduktion beteiligt und beuteten Zwangsarbeiter aus. Ende 1943 waren es 18.600.  Nach 1945 wurde die Industrie nach sozialistischen Vorstellungen wieder aufgebaut. Im Bezirk produzierten Fabriken mit großer volkswirtschaftlicher Bedeutung, so z.B. das Kombinat Elektrokohle und der VEB Maschinenbauhandel. In 26 großen Betrieben arbeiteten ca. 24.000 Beschäftigte.

Die Vereinigung der beiden ungleichen deutschen Staaten brachte gravierende Einschnitte mit sich. 1990 begann auch für die Lichtenberger Industrie eine Abschreibungs- und Abrissgeschichte. Heute liegt der Anteil der Industrie bei
unter 1 % der registrierten Betriebe, Dienstleistungen machen 64 %, Handel 20% und Handwerksbetriebe 16 % der insgesamt 18.420 verzeichneten Unternehmen aus. Lichtenberg spiegelt so die Entwicklung einer postindustriellen Gesellschaft wieder, wie sie auch andere erfasst hat und deren Folgen die Gesellschaft vor neue Herausforderungen stellt.

Quellen: Industriestadt Lichtenberg, Lichtenberg - kurze Geschichte eines Berliner Bezirks, Versklavt und vergessen - Zwangsarbeit im Berliner
Bezirk Lichtenberg 1939-1945

Anschrift

Bezirksamt Lichtenberg von Berlin
Museum Lichtenberg
Türrschmidtstraße 24
10317 Berlin

Öffnungszeiten
Ausstellungen

Di-So 11-18 Uhr

Besucherinfos

Eintritt frei!

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