Christian Friedrich Scharnweber (10.02.1770 - 03.07.1822)  - Berater des Staatskanzlers Hardenberg zwischen 1810 und 1821

 

Christian Friedrich Scharnweber war einer der bedeutendsten, vielleicht der bedeutendste, Berater des Staatskanzlers Hardenberg zwischen 1810 und 1821. Er war an den meisten Reformvorhaben dieser Jahre direkt oder indirekt beteiligt; einige, gerade die für Preußens weitere Entwicklung im 19. Jahrhundert maßgeblichen Reformdelikte, tragen seine Handschrift. Dazu zählen u.a.:

 

  • Das Regulierungsedikt vom September 1811, mit dem die Umsetzung der Bauernbefreiung / der Eigentumsregulierung zwischen Bauern und Gutsbesitzern praktisch geregelt wurde.

 

  • Das Landeskulturedikt, mit dem die Voraussetzungen für die dringend erforderliche Modernisierung der landwirtschaftlichen Betriebe, der gutsherrlichen wie der bäuerlichen, geschaffen wurde. Preußen war um diese Zeit ein Agrarstaat; mit den Strukturreformen in der Landwirtschaft wurde eine wichtige Voraussetzung für die Industrialisierung in Preußen geschaffen. (was zu dieser Zeit nicht vorauszusehen war)

 

Scharnweber saß in den meisten der Diskussionskreise, Ausschüsse und Gremien, die Hardenberg bei der Aufstellung und Umsetzung des Reformprogramms berieten; ganz zentral ging es dabei um den Grundsatz allgemeiner Gewerbefreiheit. Im damaligen Sprachgebrauch war Gewerbe der Oberbegriff für alle Arten der Erwerbstätigkeit, umfasste also Landwirtschaft, Handwerk und Fabrikwesen, Handel und Dienstleistungen. Die Aspekte Freiheit, Eigentum und Bildung für alle Untertanen bildeten ebenfalls ein wichtiges Feld in der Arbeit von Scharnweber und Hardenberg. Dass ein derartiges Regierungsprogramm in der Öffentlichkeit wie auch innerhalb der Bürokratie mehr als kontrovers aufgenommen wurde, liegt auf der Hand. Scharnweber hat die Ziele des Staatskanzlers Hardenberg leidenschaftlich und zugleich pragmatisch über viele Jahre hinweg nach außen vertreten, für sie geworben und sie verteidigt. Sowohl sein aufbrausendes Temperament, das offenbar manchmal mit ihm durchging, als auch die beeindruckende Durchsetzungsfähigkeit haben die Gegner dieser politischen Programme gegen ihn eingenommen, so dass es Aussagen von Zeitgenossen gibt, die ihn als Beispiel dafür sahen, dass Hardenberg sich mit verrückten Theoretikern umgebe. Trotz seiner hervorragenden Rolle in den frühen Jahren der Reformpolitik fehlt Scharnweber in der Geschichtsschreibung. Der entscheidende Grund dafür, dass Scharnweber nicht in die Galerie der erfolgreichen Reformbeamten aufgenommen wurde, hängt mit dem Bruch in der Reformpolitik zusammen, den man auf das Jahr 1814 datieren muss. Nach der erfolgreichen Vertreibung Napoleons erhielten alle diejenigen Kräfte wieder Oberwasser, die mit der „Revolution von oben“, insbesondere mit dem Wandel der Agrarverfassung, nicht einverstanden waren. Scharnweber hatte schon seit Beginn des Befreiungskrieges geargwöhnt, dass der Patriotismus ausgenutzt werden würde, um die Reform von Wirtschaft und Gesellschaft zu kippen. Er hatte richtig prophezeit: Edikte wurden storniert, d.h. ihre Anwendung ausgesetzt, das Regulierungsedikt von 1811 erhielt amtliche Ergänzungen, die viele Bauern von der Eigentumsregulierung ausschloss. Scharnweber verfasste im Herbst 1820 eine ausführliche Rechtfertigungsschrift der Verwaltung Hardenbergs, in der er das Kunststück fertig brachte, Hardenbergs Reformpolitik, die zweifellos als liberal zu bezeichnen ist, ganz unpolitisch, nämlich ausschließlich als vernünftig und zweckmäßig zu beschreiben: ein grundlegender Neuanfang auf allen Verwaltungsgebieten, Rettung der Monarchie und Aufschwung für alle gesellschaftlichen Schichten. Es war offensichtlich Scharnwebers letzte große Arbeit, denn bald darauf erlitt der Fünfzigjährige einen Gehirnschlag, wahrscheinlich gefolgt von weiteren Schlaganfällen. Gelähmt und sprechunfähig wurde der Kranke schließlich ins, wie es damals hieß, Irrenhaus in Kloster Eberbach eingeliefert, wo er seine letzten Lebensmonate verbrachte.  

 

 Das Rittergut Hohenschönhausen war von 1817 bis 1872 im Besitz der Familie Scharnweber.

 

Bild: Museum Lichtenberg

Literatur: Dr. Knut Käpernick, Prof. Dr. Barbara Vogel, Gunnar Müller: Preußischer Reformer in Lichtenberg - Carl August von Hardenberg und Friedrich Scharnweber, S. 7-13; Bezirksamt Lichtenberg von Berlin, 2014

 

 

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