Objekt des Monats Dezember 

GebÀckzange - nicht nur zur Weihnachtszeit

„Gegenwart sammeln“ ist ein beliebter Begriff der modernen Museologie. Er bedeutet, dass Museen nicht
nur Altes sammeln sollen, sondern gerade auch GenstÀnde unserer Zeit, die eine bestimmte Geschichte
erzĂ€hlen, eine Geschichte, die typisch fĂŒr unsere Zeit ist. Die nĂ€chste Frage lautet dann: Was ist denn
typisch fĂŒr unsere Zeit?
Ein Mitarbeiter des Museums fand unlÀngst auf der Baumscheibe des relativ neuen Hauses im
Archibaldweg 6 eine versilberte Zuckerzange mit Hildesheimer Rosenmotiv. Sie besitzt eher einen
ideellen als einen materiellen Wert. Der Chor des Hildesheimer Doms ist mit einem, der Sage nach, ĂŒber
tausendjĂ€hrigen Rosenstock geschmĂŒckt, dessen Herkunft mit einer Legende aus dem 9. Jahrhundert
verknĂŒpft ist. In den 1920er Jahren wurde Silberbesteck mit Hildesheimer Rosenmotiven sehr beliebt.
Seitdem erfreut es sich einer ungebrochenen Beliebtheit und wird in allen Preisklassen produziert und
gehandelt.
Was ist die Vorgeschichte dieses StĂŒcks, was kann es erzĂ€hlen? Ist es bei einem Umzug aus einem Karton
gefallen? Die Mieten in Berlin steigen unaufhörlich, so dass die GebĂ€ckzange ein materieller Beleg dafĂŒr
sein kann, dass Menschen in eine Wohngegend mit gĂŒnstigeren Mieten fliehen. Wurde die Zange einfach
weggeworfen, weil die Besitzerin oder der Besitzer ihrer ĂŒberdrĂŒssig war? Dann ist sie ein Zeichen des
Wohlstands und des Zeitgeistes der GeringschÀtzung materieller Produkte in Zeiten der
Massenproduktion, ebenso fĂŒr mangelndes Umweltbewusstsein.
Sollten sich die vorherigen EigentĂŒmer bei uns melden, dann können wir ihnen die GebĂ€ckzange
zurĂŒckgeben und erfahren im Gegenzug die richtige, authentische Geschichte des guten StĂŒcks. Dann
hÀtten wir eine Geschichte - aber was stellen wir dann aus, um sie zu erzÀhlen?

 

Foto: Museum Lichtenberg

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