Oskar Ziethen

Kommunalpolitiker, Amts- und Gemeindevorsteher von Lichtenberg, später Erster Bürgermeister und Oberbürgermeister der Stadt Lichtenberg

Geboren am 7. August 1858 in Stettin
Gestorben am 26. Januar 1932 in Berlin-Lichtenberg

Friedrich Wilhelm Oskar Ziethen, wie er mit vollem Namen heißt, gehört zu den Menschen, dessen Namen vielen bekannt ist, über die man aber ansonsten kaum etwas weiß. Hier in Lichtenberg ist der Namen hauptsächlich dadurch bekannt, dass ein Krankenhaus nach ihm benannt ist. Bekannt ist ebenfalls, dass Oskar Ziethen als Bürgermeister im wahrsten Sinne des Wortes „der Wegbereiter Lichtenbergs“ war. So jedenfalls nannte ihn Ingrid Wagner in einem Beitrag der „Berlinischen Monatshefte“. Damit erschöpft sich das Wissen über diesen Mann bei den meisten.

Geboren wurde Oskar (auf einigen Dokumenten auch Oscar) Ziethen am 7. August 1858 in Stettin in der Großen Wollweberstraße. Zu diesem Zeitpunkt war Stettin nicht nur Hauptstadt der Provinz Pommern und Sitz des Oberpräsidenten, sondern entsprechend seinem Status als Festung auch Sitz des Generalkommandos des 2. Armeekorps.

Oskar Ziethen wuchs in einer Offiziersfamilie auf. Der Vater, Friedrich Wilhelm Heinrich Ziethen, war 35 Jahre lang Offizier der Artillerie. Er schied 1855 im Rang eines Majors aus dem aktiven Dienst aus. Die Mutter, Agnes Mathilde Ziethen, geb. Gribel (auch Griebel), entstammte einer angesehenen Stettiner Kaufmanns- und Reederfamilie. Aus dieser Ehe gingen sechs Kinder hervor.

Der älteste Bruder, Friedrich Wilhelm Richard Ziethen (1846-1919) war Infanterieoffizier und später Bibliothekar beim Geographischen Institut in Berlin. Friedrich Wilhelm Adalbert Ziethen (1847-1914) war ebenfalls Infanterieoffizier. In seinem Haushalt lebte später auch die unverheiratete Schwester Wilhelmine Friederike Margarethe Ziethen (1849-1919).

Der Bruder Friedrich Wilhelm Waldemar verstarb bereits im Kindesalter vor Vollendung des achten Lebensjahres.

Oskar Ziethen hatte noch einen Zwillingsbruder, Friedrich Wilhelm Alfred Ziethen (1858-1944), Diese wurde wie der Vater Artillerieoffizier. Er machte Karriere bei der Armee, war zuletzt Inspektions-General der Artillerie-Schulen und ging im Rang eines Generalleutnants in den Ruhestand. Da Oskar als zweiter geboren wurde, war er der Jüngste der Familie.

Welche Schulen Oskar Ziethen in Stettin besuchte ist nicht bekannt. Im Dezember 1879 ging er nach Anklam, um am dortigen Gymnasium sein Abitur abzulegen. Diese Schule der zum Regierungsbezirk Stettin gehörenden Kreisstadt genoss einen guten Ruf. Nach dem Abitur (1880) begann Oskar Ziethen ein Studium der Rechts- und Staatswissenschaften und der Kameralistik. Darüber hinaus besuchte er auch Vorlesungen über Philosophie, Geschichte, Literatur und Religion.

Zu Beginn seiner Studien ging Oskar Ziethen von 1880 bis 1881 nach Freiburg im Breisgau. Die dortige Universität erlebte im 19. Jahrhundert einen Aufschwung und für ihn als Studienanfänger war die Rechtswissenschaftliche Fakultät eine gute Adresse.

In Leipzig setzte er dann seine Studien fort. An dieser traditionsreichen Universität hörte er u.a. Vorlesungen zur Nationalökonomie und Geschichte der politischen und sozialen Theorie bei Prof. Strobbe und zur Deutschen Staats- und Rechtsgeschichte bei Prof. Roscher. In den zwei Jahren in Leipzig beschäftigte er sich auch mit dem Familien-, Erb- und Völkerrecht.

Von 1882 bis 1884 studierte Oskar Ziethen in Berlin. Hier lehrten namhafte Wissenschaftler. So Prof. Dernburg, der Verfasser des Lehrbuchs "Preußisches Privatrecht" und Prof. Eck, der bei der Ausarbeitung des Bürgerlichen Gesetzbuches mitgewirkt hatte.

Für seinen Studienabschluss im Jahr 1885 suchte sich Oskar Ziethen die kleine Universitätsstadt Greifswald aus. Hier gab es nur ca. 800 bis 900 Studenten, aber es war in dieser Zeit durchaus üblich sich für seinen Abschluss eine kleine Universität auszusuchen.

Nach dem Studienabschluss kehrte Oskar Ziethen in seine Geburtsstadt Stettin zurück. Er wurde 1885 Referendar am Amtsgericht der Stadt und nach erfolgreichem Assessorexamen im Jahr 1891 richterlicher Beamter. Doch der Justizdienst schien nicht seinen Vorstellungen zu entsprechen. Er suchte sich ein neues Betätigungsfeld im kommunalen Bereich. Erste Erfahrungen auf diesem Gebiet erwarb er sich ab Januar 1892. Für ein halbes Jahr ging er wieder nach Greifswald, wo er beim dortigen Magistrat ein Praktikum in der städtischen Verwaltung absolvierte.

Am 25. Juni 1892 heiratete Oskar Ziethen die Kaufmannstochter Friederica Lang. Kennengelernt hatten sie sich vermutlich in der Zeit als er in Freiburg studierte. Die Hochzeit fand vor dem Standesamt in Berlin statt. Trauzeugen waren seine beiden Brüder Richard und Alfred.

Oskar Ziethens Ehefrau, Maria Friederica Karolina Olga Lang, wurde am 7. Oktober 1856 in Freiburg geboren. Ihr Vater, der Kaufmann Franz Josef Lang, war in die USA ausgewandert. Von New Orleans aus betrieb er seine Geschäfte. Ihre Eltern haben sich später getrennt.

Frieda, wie sich Friederica Lang selbst nannte, begleitete von nun an ihren Mann auf allen Stationen seines Lebens.

Frieda und Oskar Ziethen hatten zwei Kinder. Der Sohn, Friedrich Wilhelm Hellmuth, wurde am 12. Dezember 1893 in Naugard geboren; er starb am 7. Mai 1961 in Lübeck. Die Tochter, Wilhelmine Friederike Dorothee (Dörte), erblickte am 4. Dezember 1902 in Lichtenberg das Licht der Welt, sie ging später nach Bayern und starb am 13. September 1975 in Garmisch-Partenkirchen.

Im Juli 1892 übernahm Oskar Ziethen dann das Amt des Bürgermeisters der Kreisstadt Naugard in Pommern, einer Kleinstadt mit 5.000 Einwohnern.

Im September 1896 wechselte er seine Anstellung. Er wurde Amts- und besoldeter Gemeindevorsteher von Lichtenberg bei Berlin. Für die weitere Entwicklung der Gemeinde Lichtenberg gab es zu diesem Zeitpunkt zwei Alternativen: Entweder man entschied sich für eine Eingemeindung in die Stadt Berlin, oder man entwickelte sich zu einer eigenständigen Stadt. Unter Oskar Ziethens Leitung stellte man die Weichen dafür, dass Lichtenberg letzteren Weg einschlug, zumal Berlin nur bereit war die Teile Lichtenbergs zu übernehmen, die innerhalb der Ringbahn lagen. Nach einigen vergeblichen Anläufen erhielt Lichtenberg im Oktober 1907 das Stadtrecht. Im Januar 1908 wurde Oskar Ziethen zum Ersten Bürgermeister gewählt. Ab dem 17. Juni 1911 durfte er dann den Titel eines Oberbürgermeisters führen. Der unmittelbare Anlass für seine Ernennung war die Grundsteinlegung des Städtischen Krankenhauses. Vor allem aber war es die Anerkennung für die zahlreichen Verdienste, die er sich bei der Entwicklung von Lichtenberg erworben hatte.

Im April 1912 vergrößerte sich das Territorium von Lichtenberg durch die Eingemeindung von Boxhagen-Rummelsburg. Danach hatte Lichtenberg 140.000 Einwohner. Eine geplante Eingemeindung von Friedrichsfelde kam wegen der Bildung von Groß-Berlin nicht mehr zustande. Bereits seit 1912 gehörte Lichtenberg dem Zweckverband Groß-Berlin an, der die Bildung von Groß-Berlin vorbereitete. Mit viel Geschick vertrat Oskar Ziethen hier die Interessen der Stadt Lichtenberg. Als am 1. Oktober 1920 das Gesetz über die Gründung von Groß-Berlin in Kraft trat, wurde aus der Stadt Lichtenberg der Kern und der Namensgeber des 17. Berliner Verwaltungsbezirkes. Dazu gehörten nun ebenfalls die Landgemeinden Friedrichsfelde, Biesdorf, Kaulsdorf, Marzahn und Mahlsdorf sowie die Gutbezirke Biesdorf und Hellersdorf. Lichtenberg erreichte damit seine größte territoriale Ausdehnung.

Oskar Ziethen führte seine Verwaltung in die neuen Strukturen. Noch im Dezember 1918 war er für eine weitere Amtsperiode gewählt worden. Im März 1921 trat Oskar Ziethen in den Ruhestand.

Ganz zweifelsohne gehört es zu den großen Verdiensten von Oskar Ziethen, aus der ländlichen Gemeinde Lichtenberg eine Stadt und dann einen Stadtbezirk von Berlin gemacht zu haben. Es galt, die dafür notwendigen städtischen Strukturen und öffentlichen Einrichtungen zu entwickeln. Gleich zu Beginn seiner Tätigkeit stand der Beschluss zum Bau eines Rathauses für Lichtenberg, das zwischen 1896 und 1898 entstand. An öffentlichen Bauten folgten das Amtsgericht Lichtenberg (1903-1906), das Städtische Krankenhaus (1911- 1914) und das Stadtbad Hubertusstraße (Grundsteinlegung 1919, Fertigstellung 1926-1928).

Zwischen 1898 und 1913 entstanden in Lichtenberg sechs Gemeindeschulen, eine Höhere Mädchenschule (1908-1910) und das Städtische Realgymnasium und Oberrealschule (1910-1911). Wichtig für die Entwicklung des Gemeinwesens, aber auch für industrielle Ansiedlungen war die Übernahme des privaten Wasserwerks durch die Gemeinde im Jahr 1901. Im Jahr 1904 wurde ein eigenes Elektrizitätswerk mit Gasanstalt im Wiesenweg eröffnet, dem folgte 1910 die Umformstation der Stadt Lichtenberg in der Herzbergstraße. Unter diesen günstigen Bedingungen kam es zu zahlreichen Ansiedlungen von Einrichtungen für Handel und Industrie.

Besonderes Augenmerk legte Oskar Ziethen auch auf das Wohnumfeld. So wurden zahlreiche Lichtenberger Straßen ausgebaut und gepflastert, u.a. die Frankfurter Chaussee. Das Möllendorffsche Gut wurde zwischen 1907 und 1910 zum Stadtpark umgebaut und ein Städtischer Spiel- und Sportplatz entstand in der Siegfriedstraße.

Bei seinem großen Engagement für Lichtenberg blickte Oskar Ziethen immer auch über die Grenzen seines Ortes hinaus. Zwischen 1908 und 1913 war er Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses. Hier schloss er sich der Fraktion der Freikonservativen an, die 1867 aus der Abspaltung der Konservativen Partei hervorgegangen war.

Bei Ausbruch des 1. Weltkrieges hielt es Oskar Ziethen für seine patriotische Pflicht sich freiwillig zum Militärdienst zu melden. Als Landwehroffizier übernahm der inzwischen 56jährige eine Kompanie. Mit ihr war er im November/Dezember 1914 an den heftigen Kämpfen in Ostpreußen beteiligt. Nach einem Jahr reklamierte ihn der Oberpräsident wieder für das Bürgermeisteramt, denn gerade in Kriegszeiten waren fähige Köpfe, die ein solches Amt bekleiden konnten, rar. Hinzu kam, dass die angeschlagene Gesundheit von Oskar Ziethen einen weiteren Fronteinsatz nicht zuließ.

Nachdem Oskar Ziethen 1921 in den Ruhestand gegangen war, zog er sich für einige Jahre aus dem politischen Geschehen zurück. Erst im Jahr 1925 ließ er sich für die Wahlen zur Berliner Stadtverordnetenversammlung aufstellen. Der ehemalige Oberbürgermeister musste sich in Lichtenberg keine Sorgen um Wählerstimmen machen, er genoss immer noch ein hohes Ansehen. Als direkt gewählter Stadtverordneter gehörte er gleichzeitig auch der Bezirksverordnetenversammlung an. Wie viele seiner früheren freikonservativen Pateikollegen schloss sich Oskar Ziethen der 1918 gegründeten Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) an. Sie vertrat er im Wahlkreis Lichtenberg.

Im Mai 1924 wurde Oskar Ziethen der Titel Stadtältester verliehen. Er war der Einhundertste, der in das Ehrenbuch der Stadt Berlin eingetragen wurde. Dieser Titel wird bis heute an lebende Personen verliehen, die sich um die Entwicklung der Städte besondere Verdienste erworben haben.

Oskar Ziethen verstarb am 26. Januar 1932 in Lichtenberg im Städtischen Hubertus Krankenhaus, in dem Krankenhaus, für das er selbst den Grundstein gelegt hatte.

Seine Beisetzung erfolgte am 30. Januar 1932 hier in Lichtenberg.

Bereits kurz nach seinem Ableben wurde der Vorschlag unterbreitet, Oskar Ziethen ein Denkmal zu setzen. Die Bemühungen, eine Straße nach ihm zu benennen wurden vom Berliner Magistrat und dem Polizeipräsidenten zweimal mit der Begründung abgelehnt, dass es bereits mehrere Ziethenstraßen in Berlin gäbe.

Darum beschloss das Bezirksamt Lichtenberg dem Städtischen Hubertus-Krankenhaus seinen Namen zu geben. Seit Anfang des Jahres 1933 ist es als Oskar-Ziethen-Krankenhaus (oft einfach nur OZK) vielen Generationen ein Begriff. Bis heute steht der Namenszug Oskar Ziethen auf dem Haus, das heute von den Sanakliniken übernommen wurde.

Seit 1995 heißt auch die 14. Grundschule „Bürgermeister-Ziethen-Grundschule“. Auf Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung erhielt 2012 der Standort der Volkshochschule und Musikschule Lichtenberg den Namen Bildungszentrum „Oskar Ziethen“.

(erarbeitet: Jörg Bock, Kulturring in Berlin e.V.)

Foto: privat E. Kritzinger

Quellen:

»Oskar Ziethen – Eine Spurensuche« Ausstellung im Museum Lichtenberg
Text Jürgen Hofmann, Leibnitz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin e.V.

Irmgard Wagner, Der Wegbereiter Lichtenbergs, Beitrag aus Berlinische Monatsschrift Heft 4/1998

Eckhard Wendt, Stettiner Lebensbilder, Köln, Weimar, Wien, 2004,493 – 495

Wikipedia – die freie Enzyklopädie (Stand: 15.12.2015)

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