Geboren: 7. November 1910 in Reichenbach/Vogtland, Gestorben: 6. Januar 1991 in Berlin-Friedrichsfelde
Zoologe und TiergĂ€rtner, GrĂŒnder und
Direktor des Tierparks Berlin 1954â1990
Curt Heinrich Dathe, wie sein voller Name lautete, erblickte im vogtlĂ€ndischen Reichenbach am 7. November 1910 das Licht der Welt. Sein Vater, Curt Dathe, war BĂŒrovorsteher im RechtsanwaltsbĂŒro GlĂ€nzel. Im Jahr 1920 eröffnete er ein eigenes BĂŒro, in dem auch seine Frau Olga Dathe arbeitete. Der Vater war im Ort sehr beliebt. So ĂŒbertrug man ihm u.a. auch die Funktion des GeschĂ€ftsfĂŒhrers des Reichenbacher Mietervereins und bei der Handwerkerinnung.
Zu Ostern 1917, der Erste Weltkrieg war noch nicht zu Ende und auch der Vater war eingezogen, wurde Heinrich Dathe eingeschult. Er besuchte die 1. BĂŒrgerschule, die Weinholdschule. Nach bestandener AufnahmeprĂŒfung wechselte er 1921 an das Gymnasium in Reichenbach.
Im Jahr 1924 erhielt der Vater eine Anstellung in der Rechtsabteilung des Leipziger Messeamtes. FĂŒr die Familie bedeutete das â umziehen nach Leipzig. Dort ging Heinrich Dathe auf die Nikolaischule, wo er 1930 das Abitur ablegte.
Gleich im Anschluss daran begann er ein Studium der Naturwissenschaften an der Leipziger UniversitĂ€t. Zoologie, Botanik und Geologie waren jene FĂ€cher, die es ihm besonders angetan hatten. Der Vater hĂ€tte es zwar lieber gesehen, wenn sein Sohn Jura studierte. Doch er unterstĂŒtzte ihn voll und ganz, als er merkte, dass er es ernst mit den Naturwissenschaften meinte . In seiner Studienzeit erledigte er zunĂ€chst gelegentlich wissenschaftliche Hilfsarbeiten am Naturwissenschaftlichen Museum Burg Mylau und dem Zoologischen Institut der UniversitĂ€t Leipzig. Im Sommer 1933 beteiligte er sich auch an einer Adria-Expedition der UniversitĂ€t. Ein breites Feld bildeten ebenso die ornithologischen Studien, die Heinrich Dathe mit anderen Kommilitonen betrieb. Bei den Beobachtungen in der freien Natur lernte er zudem groĂe Teile seiner sĂ€chsischen Heimat kennen.
Ăber Prof. Gimpe, einen seiner Lehrer, kam Heinrich Dathe in Verbindung mit Dr. Schneider, dem kommissarischen Leiter des Zoologischen Gartens Leipzig. Noch wĂ€hrend des Studiums, ab Herbst 1934, zog dieser ihn fĂŒr wissenschaftliche Arbeiten heran. Beispielsweise fĂŒr ZoofĂŒhrungen, die Betreuung und Bestimmung von TierbestĂ€nden und die FĂŒhrung der ZuchtbĂŒcher. In spĂ€teren Jahren bekannte Heinrich Dathe, dass sich ihm dadurch eine Welt öffnete, zu der er vorher keine Beziehung hatte. TiergĂ€rtner wollte er eigentlich nie werden. âIch wollte Forscher oder Reisender werden, am besten reisender Forscherâ, schrieb er in seinen âLebenserinnerungen eines leidenschaftlichen TiergĂ€rtnersâ, die im Jahr 2001 erschienen.
In diesem Buch nahm er auch Stellung zu einem Schritt, den er 1932 gegangen war, als er im Alter von 21 Jahren der NSDAP beitrat. Was ihn dazu bewogen hatte, lÀsst sich sicher nur aus der damals herrschenden politischen Situation heraus erklÀren. Es war ein Schritt, den er im Nachhinein auch bereute.
Offensichtlich war es Dr. Schneider zu verdanken, dass sich Heinrich Dathe letztlich doch zur Arbeit im Zoologischen Garten entschloss. Aus der studentischen NebenbeschĂ€ftigung im Zoo wurde zunĂ€chst eine VolontĂ€rassistenz, und am 1. MĂ€rz 1936 bekam er die Stelle eines Hilfsassistenten. Noch vor dem Abschluss seiner Promotion erhielt er am 1. Oktober 1936 einen Privatdienstvertrag als wissenschaftlicher Assistent im Zoo Leipzig. Die Promotion zum Dr. phil. erfolgte am 10. Dezember 1936 mit der Dissertationsschrift âĂber den Bau des mĂ€nnlichen Kopulationsorganes bei Meerschweinchen und anderen hystricomorphen Nagetierenâ.
Mit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde auch Heinrich Dathe zum MilitÀr eingezogen. Zum Dienst hatte er sich im Infanterie-Regiment 11 in Leipzig-Gohlis zu melden, das zum Kriegseinsatz nach Frankreich kam. Hier wurde Heinrich Dathe im Juni 1940 verwundet. Zur Genesung verlegte man ihn zunÀchst in ein Lazarett nach Chemnitz, spÀter in ein Kurlazarett nach Bad Elster. Dort lernte er Schwester Elisabeth Friedrich kennen, seine spÀtere Frau.
Dr. Schneider sorgte dafĂŒr, dass Heinrich Dathe nach seiner Entlassung aus dem Lazarett in ein Leipziger Ersatzbataillon versetzt wurde. Der Stabsdienst, den er nun zu verrichten hatte, lieĂ ihm viel Zeit, sich hĂ€ufig im Zoo aufzuhalten. (Er war ab 1940 offiziell bestĂ€tigter Stellvertreter des Direktors.)
Ostern 1943 verlobten sich Heinrich Dathe und Elisabeth Friedrich, am 2. August 1943 heirateten sie. Trotz des Krieges konnten sie eine Hochzeitsreise nach Prerow auf RĂŒgen unternehmen.
Im Dezember 1943 erlebte Heinrich Dathe in Leipzig schwere Luftangriffe, bei denen auch der Zoo getroffen und Teile des Tierbestandes in Mitleidenschaft gezogen wurden. Das gleiche wiederholte sich noch einmal im Februar 1944.
Der April 1944 brachte fĂŒr ihn ein erfreuliches Ereignis, seine Tochter Almut wurde geboren.
Kurz vor dem Ende des Krieges ging fĂŒr Heinrich Dathe die Zeit im Stabsdienst vorbei. Im MĂ€rz 1945 wurde er an die Front nach Italien versetzt. In Bozen (SĂŒdtirol) erlebte er das Ende des Krieges. Er geriet zunĂ€chst in amerikanische Gefangenschaft. Dann ĂŒberstellte man ihn in ein Kriegsgefangenenlager nach Rimini, das von den EnglĂ€ndern verwaltet wurde. In der Zeit der Kriegsgefangenschaft hielt er zoologische VortrĂ€ge und leitete Schulungen zum Thema Feldornithologie. Seine wöchentliche Vortragsreihe âErlebnisse mit Tierenâ wurde sehr schnell beliebt und war immer gut besucht. Als Angehöriger einer Betreuungseinheit hielt er seine VortrĂ€ge auch in anderen Lagern und Lazaretten. Auf diese Weise lernte er Italien kennen. Die Kriegsgefangenschaft endete im Oktober 1947. Bei seiner RĂŒckkehr nach Leipzig sah er zum ersten Mal seinen Sohn Holger, der 1945 das Licht der Welt erblickt hatte. Bis dahin kannte er ihn nur von Fotografien.
Eine erste Anstellung fand Heinrich Dathe im Hermelin-Verlag. Dessen Chef, Dr. Paul Schöps, bot ihm eine Stelle als Markthelfer an. Im Zoo Leipzig fand er zunĂ€chst keine Anstellung. Dr. Schneider stand wieder an der Spitze dieser Einrichtung. Doch dauerte es noch bis zum 1. Juli 1950, bis auch Heinrich Dathe wieder an seine alte WirkungsstĂ€tte als Direktionsassistent und stellvertretender Direktor zurĂŒckkehren konnte.
Im Jahr 1951 wurde das dritte Kind der Familie Dathe geboren, der Sohn Falk.
Ab 1954 gab es PlĂ€ne, im Ostteil der Stadt Berlin einen eigenen Tierpark aufzubauen. Der Zoo Leipzig und speziell Heinrich Dathe wurden von Anfang an in die Planungen mit einbezogen. Als es um die Frage des kĂŒnftigen Direktors ging, fiel auch sofort der Name Dr. Dathe. Dies sollte seine neue Lebensaufgabe werden. Am 9. September 1954 erhielt er vom damaligen Berliner OberbĂŒrgermeister Fechner seine Ernennung zum Direktor. Das erste BĂŒro des neuen Tierparks befand sich im Schloss Friedrichsfelde. Von dort aus leitete er den Aufbau des Tierparks Berlin. Die offizielle Grundsteinlegung fand am 30. November 1954 statt.
Die Eröffnung des Tierparks war auf den 2. Juli 1955 festgelegt worden, dem Beginn der groĂen Ferien in der DDR. Unter groĂer Anteilnahme der Bevölkerung - 30.000 Berliner kamen an diesem Nachmittag - wurde der Tierpark eingeweiht. Im Vergleich zu heute war es ein bescheidener Anfang, 400 Tiere in 120 Arten konnte man sehen. Im Laufe der Jahre entstand auf einer FlĂ€che von ca. 160 Hektar, unter der maĂgeblichen Leitung von Heinrich Dathe, einer der gröĂten Tier- und Landschaftsparks der Welt. 7.682 Tiere in 815 Arten (Stand 2015) werden heute dort gezeigt.
Heinrich Dathe, dem 1957 der Professoren-Titel verliehen wurde, war ein viel beschÀftigter Mann. Parallel zur Leitung des Tierparks Berlin war er nach dem Tod von Prof. Schneider von Oktober 1955 bis 1957 auch mit der interimistischen Leitung des Zoos Leipzig beauftragt.
Einen groĂen Raum nahm zudem die wissenschaftliche Arbeit ein. Bereits ab 1951 hielt er Vorlesungen am Zoologischen Institut der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen FakultĂ€t der UniversitĂ€t Leipzig.
1957 grĂŒndete er im Berliner Tierpark die Zoologische Forschungsstelle der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, die er auch leitete.
Ab 1964 hielt er auch Vorlesungen an der Humboldt-UniversitĂ€t zu Berlin. Diese verlieh ihm 1970 die EhrendoktorwĂŒrde (Dr. med. vet. h.c.) und 1972 den âdoctor scientia naturalimâ (Dr. sc. nat.).
Auch als Herausgeber wissenschaftlicher BĂŒcher und Zeitschriften trat er in Erscheinung. Bereits seit 1936 hatte ihn Prof. Schneider in die redaktionelle Arbeit bei der Herausgabe der Fachzeitschrift âDer Zoologische Garten (Neue Folge)â mit einbezogen. Nach dem Ableben von Prof. Schneider war er nun alleiniger Herausgeber. Desweiteren zeichnete er verantwortlich fĂŒr die Zeitschrift âBeitrĂ€ge zur Vogelkundeâ, die Zeitschrift des Tierparks Berlin âMiluâ und die Zeitschrift fĂŒr Fledermauskunde âNyctalusâ.
In den 60 Jahren seines Wirkens erschienen ĂŒber 1.000 wissenschaftliche und populĂ€rwissenschaftliche Schriften. Darunter mehrere BĂŒcher in hoher Auflage.
Welch hohes Ansehen Prof. Dathe national und international als Zoologe genoss, zeigte auch seine Mitgliedschaft und Mitarbeit in unterschiedlichen Gremien. So war er Korrespondierendes, spÀter Ordentliches Mitglied im Verband Deutscher Zoodirektoren. (1968 Austritt auf staatliche Anordnung, 1990 erfolgte seine Wiederwahl)
Er wurde in den Internationalen Verband von Direktoren Zoologischer GĂ€rten gewĂ€hlt. Die âKommission fĂŒr TiergĂ€rten der DDRâ wĂ€hlte ihn zu ihrem Vorsitzenden.
Prof. Dathe war Ehrenmitglied der Biologischen Gesellschaft der DDR und Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, Halle (Saale).
Hinzu kamen zahlreiche nationale und internationale Ehrungen und Auszeichnungen. Seine Geburtsstadt Reichenbach ernannte ihn im MĂ€rz 1982 zu ihrem EhrenbĂŒrger.
In erster Linie aber war Prof. Heinrich Dathe eines: Direktor des Berliner Tierparks, fĂŒr den er lebte. Er lieĂ es sich auch nicht nehmen, immer wieder persönlich Werbung fĂŒr seinen Tierpark zu machen. Die Radiosendung âIm Tierpark belauschtâ und die Fernsehsendung âTierparkteletreffâ hatten in der DDR ein Millionenpublikum.
Ebenso trugen die zahlreichen Zuchterfolge des Tierparks zur weltweiten Anerkennung bei.
Umso unverstĂ€ndlicher ist der Umgang mit Prof Dathe nach der Wiedervereinigung. Da war zunĂ€chst die Diskussion, ob Berlin wirklich zwei zoologische GĂ€rten brauche? Zudem sah der Einigungsvertrag keine Ăbernahme von Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes vor, die das 60. Lebensjahr ĂŒberschritten hatten. Am 10. Dezember 1990 wurde ihm gekĂŒndigt. Gleichzeitig erhielt er die Aufforderung, seine Dienstwohnung zu rĂ€umen.
Doch dazu kam es nicht mehr. Prof. Dathe starb am 6. Januar 1991 in Berlin-Friedrichsfelde. Seine letzte RuhestĂ€tte fand er auf dem âNeuen Friedhof Friedrichsfeldeâ in der Robert-Siewert-StraĂe in Berlin-Karlshorst.
Nach seinem Tod erhielt eine Schule in seinem Geburtsort Reichenbach und ein Gymnasium in Berlin-Friedrichshain seinen Namen. Im Alfred Brehm Haus des Tierparks wurde 1995 eine BronzebĂŒste von ihm aufgestellt.
Gedenktafeln von Prof Dathe gibt es an seinem Geburtshaus in Reichenbach, am BĂ€renschaufenster und am DickhĂ€uterhaus des Tierparks Berlin, sowie am Leibniz-Institut fĂŒr Zoo- und Wildtierforschung Berlin. Seit 2005, anlĂ€sslich des 50-jĂ€hrigen JubilĂ€ums des Tierparks und des 95. Geburtstag seines GrĂŒnders, gibt es am U-Bahnhof Tierpark einen âHeinrich-Dathe-Platzâ und eine âDathe-Promenadeâ. Heinrich Dathes GrabstĂ€tte ist heute ein Ehrengrab des Bezirks Lichtenberg.
Foto: Prof. Dr. Dr. Dathe mit KatzenbÀr, Archiv Tierpark Berlin
Quellen:
Heinrich Dathe (1910â1991) : Zoologe und TiergĂ€rtner aus Leidenschaft ; BeitrĂ€ge des Kolloquiums der Stadt Reichenbach im Vogtland und des wissenschaftlichen Symposiums der Deutschen Gesellschaft fĂŒr Geschichte und Theorie der Biologie und der Staatsbibliothek zu Berlin - Stiftung PreuĂischer Kulturbesitz - zum 100. Geburtstag Heinrich Dathes im Jahr 2010 / Katrin Böhme... (Hrsg.). â Rangsdorf, Basilisken-Presse, Natur & Text GmbH [Veröffentlichung], 2015.
Lebenserinnerungen eines leidenschaftlichen TiergÀrtners / Heinrich Dathe. Hrsg. von Almut Fuchs... Mit einem Geleitwort von Bernhard Blaszkiewitz. Berlin : Lehmanns media [Veröffentlichung], 2010.
Wikipedia â die freie EnzyklopĂ€die
(Stand: 02.05.2016)