Benjamin Raule (1634–1707)

General-Marine-Direktor des Großen Kurfürsten, Besitzer von Rosenfelde (später Friedrichsfelde), legte den Grundstein für das Schloss Friedrichsfelde

Der einer hugenottischen Familie entstammende Benjamin Raule wurde 1634 (das genaue Datum ist nicht bekannt, vermutlich im Februar) im niederländischen Vlissingen geboren. Über seine Kindheit ist nichts bekannt. Er wurde Kaufmann und hatte seinen Wohnsitz in Middelburg auf Seeland. Hier musste er zu den angesehenen Bürgern gehört haben, denn er brachte es zum Schöffen und Ratsherren der Stadt.

Durch die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen England und den Niederlanden mit Frankreich verlor er fast sein ganzes Vermögen. In dieser Situation wandte er sich an den brandenburgischen Kurfürsten Friedrich Wilhelm, der als der Große Kurfürst in die Geschichte einging. Dieser befand sich im Krieg gegen Schweden. Benjamin Raule erbat sich von ihm einen Kaperbrief, um auf diese Weise seine finanzielle Misere zu beenden. Kurfürst Friedrich Wilhelm stand diesem Ansinnen durchaus positiv gegenüber, der Krieg gegen Schweden lief nicht gerade glücklich für ihn.

Benjamin Raule ließ einige Fregatten ausrüsten und schickte sie erfolgreich auf Kaperfahrt gegen Schweden. Innerhalb kürzester Zeit gelang es ihm, schwedische Handelsschiffe in nennenswerter Zahl aufzubringen. Quellen berichten, dass in dieser Zeit die Ostsee von schwedischen Schiffen leergefegt war, da sie die Kaperung fürchteten. Dies störte den Handel mit Schweden natürlich empfindlich. Raule brachte vor allem die niederländischen Reeder gegen sich auf. Sie strebten einen Prozess gegen ihn an, den Raule verlor. Die gekaperten Schiffe mussten wieder herausgegeben werden. Raules Schuldenberg wuchs weiter, er floh nach Berlin, um in brandenburgische Dienste zu treten. Kurfürst Friedrich Wilhelm sah in ihm den richtigen Mann, seine maritimen Ambitionen umzusetzen. Er ernannte Benjamin Raule zum brandenburgischen Rat und entschädigte ihn für seine erlittenen Verluste.

Sein erster Auftrag war die Bereitstellung und Ausrüstung von Fregatten zur Unterstützung des Krieges gegen Schweden. Im Frühjahr 1677, Raule war zum Marine-Direktor ernannt worden, machte er den Vorschlag, die Flotte bedeutend zu erweitern. Der Kurfürst ließ Schiffe auf eigene Rechnung ausrüsten und im Sommer des Jahres bestand die brandenburgische Flotte bereits aus 13 Schiffen mit 656 Mann Besatzung und 119 Stücken (Kanonen). Diese Flotte leistete wichtige Dienste bei der Belagerung von Stettin und im folgenden Jahr bei den Unternehmungen gegen Stralsund und Rügen. Doch letztendlich zahlten sich die Erfolge in diesem Krieg für Friedrich Wilhelm nicht aus. Nach den Bestimmungen des folgenden Friedensvertrages musste er alle eroberten Gebiete in Vorpommern wieder zurückgeben. Was blieb, war der Grundstock für eine eigene brandenburgische Flotte.

Diese wurde nun gegen Spanien eingesetzt, um die Zahlung vertragswidrig einbehaltener Gelder zu erzwingen. Doch ein rechter Erfolg wollte sich nicht einstellen. Auch ein geplanter Überfall auf die spanische Silberflotte misslang.

Trotz aller Rückschläge ließ Kurfürst Friedrich Wilhelm nicht von seinen maritimen Bestrebungen ab, er wollte die brandenburgische Fahne auf den Weltmeeren sehen. Zu diesem Zweck gründete er in Berlin ein Admiralitäts- und Commerz-Collegium. Benjamin Raule ernannte er zum Chef dieser Behörde, die sofort daranging, eine außerordentliche Tätigkeit zu entwickeln. Pillau am Frischen Haff wurde zu einem Kriegshafen umgebaut. Im ganzen Land wurden größere und kleinere Schiffswerften errichtet, so am Berliner Schiffbauerdamm, in Havelberg und in Pillau. Hier lief 1681 die „Kronprinz“ vom Stapel, dass erste in Brandenburg-Preußen gebaute Schiff.

Nachdem der Kurfürst seine Genehmigung gegeben hatte, gründete Raule 1682 die Brandenburgisch – Afrikanische Kompanie. Dies war die erste deutsche Aktiengesellschaft, um mit Waren aus Brandenburg, England, Frankreich und aus Afrika Handel zu treiben. Teilhaber konnte jeder werden, der mindestens 200 Taler einlegte. Der Kurfürst war mit 8.000 Talern beteiligt, die Beteiligung etlicher Berliner Bürger und Beamte belief sich auf 22.000 Taler und Benjamin Raule und seine Freunde legten rund 20.000 Taler an. Der Hauptsitz der Kompanie befand sich in Berlin. Königsberg, Pillau und später Emden stellten die Häfen und Werften. Die Aktivitäten dieser neuen Handelskompanie dehnten sich rasch aus.

Im Jahr 1683 entsandte die Kompanie eine Expedition nach Afrika. Sie wurde von Otto Friedrich von der Groeben geleitet. Auf dem Gebiet des heutigen Ghana erwarb er ein Stück Land und errichtete dort einen Handelsstützpunkt. Das darauf errichtet kleine Fort erhielt den Namen Groß-Friedrichsburg und war Ausgangspunkt der brandenburgischen Aktivitäten in diesem Teil der Welt. Handelsgüter waren Gold, Elfenbein, Gummi Arabicum und, was in späteren Jahren gern verschwiegen wurde, Menschen. Zwar war der Anteil von Kurbrandenburg am gesamten Sklavenhandel gering, dennoch wurden von hier aus ca. 30.000 Menschen verschleppt. Dieser Stützpunkt wurde später als die erste deutsche Kolonie bezeichnet. 

Die Afrikanische Kompanie und damit auch Benjamin Raule verdienten am Afrikahandel ausgesprochen gut. Bereits 1682 war er endgültig nach Berlin gezogen, wo er einen Hof mit einen prachtvollen Haus in Friedrichswerder erworben hatte. Die Einnahmen aus seinen diversen Geschäften gestatteten es ihm, sich 1686 ein verfallenes Landschlösschen und kurze Zeit später die dazugehörigen Ländereien in Rosenfelde zu kaufen. Im Stile seiner niederländischen Heimat ließ er hier einen prächtigen Sommersitz, ein kleines Lustschloss, errichten. Dieses, damals noch fünfachsige Gebäude, war der Grundstock für das später entstandene Schloss Friedrichsfelde.

Geschäftsfreunde, Angehörige des Hofes und Kurfürst Friedrich Wilhelm selbst waren hier Gäste seiner legendären und ausschweifenden Feste. Zu einem dieser Anlässe schrieb Friedrich Rudolph Ludwig Reichsfreiherr von Canitz, ein Diplomat und Dichter, die auch heute noch bekannten Zeilen:

Der Churfürst und war Fürstlich heißt,
Haben jüngst beym Raule gespeist,
Mittags zu Rosenfelde;
Allwo man hat, versteh mich recht,
kostbar gegessen und gezecht,
Gespielet mit dem Gelde.

Doch dieser ausgesprochen aufwendige Lebensstil sollte nicht ewig wären. Die große Gunst des Kurfürsten rief Neider auf den Plan. Die Afrikageschäfte liefen nicht mehr so gut, hauptsächlich wegen der andauernden Angriffe der niederländischen Konkurrenz. Innerhalb der Kompanie gab es Korruption, was man Raule anlastete. Hinzu kamen seine zum Teil undurchsichtigen Finanzgeschäfte, derentwegen er sich ständig Anschuldigungen und Untersuchungen ausgesetzt sah. Als mit dem Tod des Großen Kurfürsten auch sein Gönner nicht mehr da war, kam es zum tiefen Fall des Benjamin Raule.

Friedrich III., der sich 1701 als Friedrich I. zum ersten preußischen König krönen ließ, hatte kein Verständnis für die Seefahrt oder den Welthandel. Auf seinen Befehl wurde Benjamin Raule im Dezember 1698 in die Spandauer Festung gesperrt, wo er ohne jeden Prozess die nächsten dreieinhalb Jahre zubrachte. Sein Vermögen und sein Besitz in Rosenfelde wurden zugunsten der Krone eingezogen. Um dies auch nach zu verdeutlichen, ließ Kurfürst Friedrich im Jahr 1699 Rosenfelde in Friedrichsfelde umbenennen.

Völlig verarmt und in Ungnade wurde Benjamin Raule im Mai 1702 aus der Festungshaft entlassen. Die nächsten Jahre verbrachte er als Verbannter und in ärmlichsten Verhältnissen auf einem Schiffswrack in Emden. Im Juni 1705, nachdem seine Behausung in Emden unbewohnbar geworden war, zog er nach Hamburg.

Hier verstarb Benjamin Raule am 17. Mai 1707.

 

(Jörg Bock, Im Auftrag des Museums Lichtenberg)

Quellen:

Benjamin Raule, der General-Marine-Direktor des Grossen Kurfürsten von Prof. Dr. S.W. Otto Richter (Otto von Golmen), Gedruckt und verlegt bei Hermann Costenoble, Jena, Berlin 1901

Benjamin Raule und die Flotte Friedrich Wilhelms, der Große Kurfürst von Brandenburg, historische Skizze von Emil König, Rathenow, Verlag von Max Balensien

Dirk Moldt: Ein Unternehmer und Lebemann von Königs Gnaden, Benjamin Raules Auf und Ab durch das spätere Friedrichshain, Friedrichshainer Zeitzeiger (2. Jg. Nr. 16) August 2016

Wikipedia – die freie Enzyklopädie: Benjamin Raule (Stand 20.06.2017)

Foto:

Nachguss aus dem 19. Jahrhundert, heute zu sehen im Schloss Friedrichsfelde