Person des Monats Februar
16.09.1902 – 16.01.1943
Literaturwissenschaftlerin, Autorin, Widerstandskämpferin gegen die NS-Diktatur,
in Berlin-Lichtenberg ist eine Schule nach ihr benannt.
Mildred Elisabeth Fish wurde am 16. September 1902 in der Stadt Milwaukee im US-Staat Wisconsin als jüngstes von vier Geschwistern geboren. Ihr Studium in Madison finanzierte sie sich u.a. mit Beiträgen im „Wisconsin State Journal“, für das sie Theater- und Filmkritiken schrieb. Ab 1922 hatte sie eine feste Anstellung bei der Zeitschrift „Lit“, ein damals renommiertes Blatt. Nach dem Abschluss ihres Studiums lehrte sie Literaturwissenschaften.
In Madison traf sie auch Arvid Harnack. Er kam 1926 mit einem Rockefeller-Stipendium an die dortige Universität. Schon am 7. August 1926 heirateten sie.
1929 folgte Mildred Harnack ihrem Mann als Stipendiatin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes nach Deutschland. Dort war es ihr Zeil, zu promovieren und wissenschaftlich zu arbeiten. Ihre ersten Jahre in Deutschland wohnte das Ehepaar in der thüringischen Universitätsstadt Jena, in der Arvid Harnacks Eltern lebten.
Ab 1. September 1932 arbeitete Mildred Harnack als Lehrerin am Berliner Städtischen Abendgymnasium (BAG). Das BAG war 1927 mit Hilfe der SPD gegründet worden und die erste Einrichtung in Deutschland, auf der berufstätige Erwachsene das Abitur ablegen und somit die Hochschulreife erlangen konnten. Ihre Schüler Karl Behrens, Bodo Schlösinger und Wilhelm Utech nahmen an einem Schulungszirkel zu ökonomischen und politischen Themen teil, den Arvid Harnack leitete.
In ihrem Freundeskreis, zu dem ebenfalls das Ehepaar Adam und Greta Kuckhoff zählte, diskutierten sie neue Literatur, Grundfragen der Politik und wissenschaftliche Probleme.
Das Ziel von Mildred und Arvid Harnack und der ihnen Gleichgesinnten war es, sich auf die demokratische Neuordnung Deutschlands nach dem Ende des Nationalsozialismus vorzubereiten. Im Unterschied zu vielen anderen nahmen die Harnacks den sich immer mehr abzeichnenden Aufstieg Hitlers sehr ernst. Blair Brysac schrieb dazu in ihrer Mildred-Harnack-Biografie: „Schritt für Schritt gingen Mildred und Arvid von einer Neugier am Marxismus, der von Sympathie geprägt war, zu direktem Engagement über. In Opposition zur 'Neuen Weltordnung' der Nationalsozialisten gelangten sie schließlich zum heimlichen Widerstand.“
Während der Jahre im nationalsozialistischen Deutschland war Mildred Harnack ein aktives und prominentes Mitglied im „American Women's Club“. Zur amerikanischen Botschaft in Deutschland unterhielt sie gute Beziehungen. Durch ihre enge Freundschaft mit der Tochter des amerikanischen Botschafters, Martha Dodd, gelangte Mildred Harnack an Dokumente und Unterlagen, die in Deutschland nicht zu bekommen waren. Dazu zählten Reden von Theodor Roosevelt und anderen Politikern, Informationen zum Spanischen Bürgerkrieg und Kommentare zur Politik des nationalsozialistischen Deutschlands. Diese Informationen stellte sie zusammen, übersetzte sie und gab sie an Gleichgesinnte weiter. Ab 1935 informierte Arvid Harnack, der als Oberregierungsrat tätig war, Vertreter der amerikanischen und sowjetischen Botschaft über die ihm im Reichswirtschaftsministerium bekannt gewordene Aufrüstung.
Mildred Harnack unterstützte die illegale Arbeit ihres Mannes, indem sie Kontakte zu Menschen aufnahm, von denen bekannt war, dass sie dem Naziregime gegenüber kritisch Stellung bezogen. Es gelang ihr, einige von ihnen für eine aktive Widerstandsarbeit zu gewinnen. Die Dienst- und Urlaubsreisen der Harnacks nach Norwegen, Kopenhagen, London und Paris dienten immer mehr auch konspirativen Zwecken. Da Mildred Harnack im Potsdamer Verlag Rütten und Loening für die Übersetzung von Büchern aus dem Englischen zuständig war, hatte sie zusätzlich die Möglichkeit, ihre Aufenthalte im Ausland glaubhaft zu machen. Auch verfügte sie über einen deutschen und amerikanischen Pass. Darüber hinaus war sie durch diese Tätigkeit in der Lage, Materialien wie Papier und Tinte für geheime Publikationen zu bekommen, die in Deutschland rationiert waren. Mit ihrem Mann war Mildred Harnack in dem über ganz Europa vernetzten Widerstand gegen das faschistische Deutschland verankert.
Die Nationalsozialisten hatten die Organisation mit den Vorgangsnamen „Rote Kapelle“ versehen, weil sie hinter den abgefangenen Funksprüchen aus der Sowjetunion gesteuerte Kommunisten vermuteten. Entgegen dieser auch propagandistisch motivierten Auffassung war die „Rote Kapelle“ ein weitverzweigtes Netzwerk von Patrioten unterschiedlicher politischer Auffassungen, die alle die Ablehnung und das Ziel der Abschaffung des Naziregimes einte.
Vergeblich versuchte ein kleiner Teil der Gruppierung, zu dem Harro Schulze-Boysen, Hans Coppi und Albert Hößler gehörten, mit Funksignalen Verbindung zur Sowjetunion aufzunehmen und auf den geplanten Überfall Deutschlands aufmerksam zu machen. Ein später von der Auslandsaufklärung des Oberkommandos der Wehrmacht deschiffriertes Telegramm der sowjetischen Militäraufklärung führte die Gestapo erst zu Harro Schulze-Boysen, dann zu den Adressen der anderen Widerständler. Ihren Verhaftungen im September 1942 folgten am 22. Dezember 1942 die ersten Hinrichtungen in Berlin-Plötzensee. Zu den ersten Opfern gehörten Libertas und Harro Schulze-Boysen und Hans Coppi. Bis in das Jahr 1943 hinein wurden 57 Widerständler auf besonders grausame Weise ermordet, unter ihnen auch die Freunde Gerte und Adam Kuckhoff und viele andere.
Am 7. September 1942, während eines Urlaubs, wurden auch Mildred und Arvid Harnack verhaftet. Ihre Verhandlung fand vor dem 2. Senat des Reichskriegsgerichts statt. Am 19. Dezember ergingen die Urteile. Arvid Harnack wurde zum Tode verurteilt und am 22. Dezember hingerichtet. Mildred Harnack erhielt wegen Beihilfe zur Vorbereitung zum Hochverrat und zur Spionage eine Zuchthausstrafe von 6 Jahren. Adolf Hitler ließ das Urteil gegen Mildred Harnack am 21. Dezember 1942 aufheben und wies eine erneute Hauptverhandlung an. Sie wurde diesmal vom 3. Senat des Reichskriegsgerichts durchgeführt, die am 16. Januar 1943 mit der Verkündung der Todesstrafe endete. Mildred Harnack wurde noch am gleichen Tag in Berlin-Plötzensee ermordet.
Seit 1976 trägt eine Schule im Stadtbezirk Berlin-Lichtenberg, im Wohngebiet Frankfurter-Allee-Süd, den Namen Mildred-Harnack-Schule. Eine Gedenktafel wurde 2007 angebracht. Ein Gedenkstein für Mildred uns Arvid Harnack steht auf dem Friedhof Zehlendorf, an der Onkel-Tom-Straße.
Bildquelle: Gedenkmappe Widerstand (Museum Lichtenberg)