Der 24. Mai 1288, einen Tag „nach dem Fest der heiligen Dreifaltigkeit“ wurde Lichtenberg erstmals in einer beglaubigten Urkunde erwähnt. Der ehemalige Dorfkern um den heutigen Loeperplatz kann als Ort der Gründung des Dorfes angesehen werden. Er blieb weit bis ins 19. Jahrhundert sichtbar. Viel ist jedoch im modernen Lichtenberg aus dieser Zeit nicht mehr erhalten. Nur die Kirche hielt und hält am Ursprungsort als Zeichen ferner Zeiten der Stadtentwicklung stand.
Was kann uns die aus der Gründungszeit stammende Pfarrkirche erzählen? Ausführliche Information sucht man am historischen Platz vergeblich. Allein an dem heute sichtbaren Bau ist nicht sehr viel ablesbar. Sie war im letzten Krieg ausgebrannt, Dach und Turm wurden im Laufe der Jahrhunderte mehrfach verändert, die einst spätromanischen Fenster erweitert und anderes mehr. Offenbar reicht es nicht, die ältere Geschichte allein vom aktuellen Zustand her zu betrachten. Die Urgründung der dörflichen Feldsteinkirche war die allererste und wichtigste Tat der deutschen Neusiedler im möglicherweise einstigen Slawengebiet. Sie wird von Historikern schon um 1230 vermutetet. Der Ort wurde gewiss nicht zufällig gewählt. Er lag an strategisch wichtiger Stelle, nur wenige hundert Meter oberhalb des damals schon wichtigen Handels- und Heerweges in Richtung Frankfurt/Oder. Sie ist ein Teil der späteren Reichsstraße 1, heute Frankfurter Allee. Es lässt sich annehmen, dass diese Ortswahl von bleibender Bedeutung in der Geschichte blieb.
Als Kämmereidorf seit 1391 direkt im Eigentum Berlins, war das Dorf ein fester Bestandteil der Residenzlandschaft. Die Dorfbewohner - freie Hüfner, abhängige Kossäten, Reiche und Arme – hatten die Raubzüge der Ritter von Quitzow, den Dreißigjährigen und den Siebenjährigen Krieg sowie die Verheerungen der Napoleonischen Kriege zu erleiden. Am Ende des Dreißigjährigen Krieges soll Lichtenberg fast vollständig verödet gewesen sein. Groß war das Dorf nie, etwas über 300 Menschen. Im Jahre 1801 waren es 437, darin enthalten schon die 66 Einwohner der außerhalb des Dorfes in der Zeit Friedrich des Großen gegründeten Kolonistensiedlungen Friedrichsberg und Kietz. Jedenfalls waren die Lichtenberger zuerst den Askanisch-Brandenburgischen, ab 1415 den Hohenzollerischen Markgrafen und Kurfürsten unter dem Roten Adler untertan. Am Lichtenberger Rathaus ist das zu sehen. 1701 wurden die Lichtenberger Preußen.
Neben dem Gotteshaus steht noch heute eine Schmuckurne. Sie erinnert an die Mutter des für Berlin so bedeutenden Künstlers Gottfried Schadow (1764-1850). Anna Catharina Schadow ruht seit 1797 in Lichtenberger Erde. Damit kann auf eine Besonderheit Lichtenbergs hingewiesen werden. Das Dorf vor den Toren Berlins war im 17. und 18. Jahrhundert auch ein Refugium prominenter Personen aus der nahen Residenz. Das Landschlösschen des Feldmarschalls Möllendorff und Häuser anderer feudaler und bürgerlicher Größen zeugten davon. Doch auch das Schlösschen, noch auf Ansichten um 1910 erkennbar, wurde 1911 abgerissen. Sämtliche alten Häuser, auch die auf dem Dorfanger, darunter ein Schulgebäude, mussten schon vor 1945 dem Straßenverkehr und modernen Zweckbauten weichen. Der Krieg erledigte dann den Rest. Auch der ehemalige Gutshof mit Herrenhaus und die Wirtschaftsgebäude waren davon betroffen. Sie standen östlich des Loeperplatzes. Heute befindet sich an dieser Stelle und neben dem 1848 erbauten Pfarrhaus ein kleiner Park. Früher wurde dieser Ort auch Vorwerk und Magistratshaus genannt. Genau hier fanden vom 4. Mai bis zum 4. Juni 1810 von preußischen Reformern einberufene Zusammenkünfte statt. Sie nannten sie selbst ‚Lichtenberger Conferenzen‘. In konspirativen Beratungen suchten sie Wege zur Befreiung Deutschlands von Napoleon und bereiteten die Weiterführung der preußischen Reformen vor. Die beiden Protagonisten der ‚Conferenzen‘, der unmittelbar danach zum Staatskanzler berufene Graf Carl August von Hardenberg (1750-1822) und sein bürgerlicher Mitstreiter, Christian Friedrich Scharnweber (1770-1822), besaßen das Gut in Lichtenberg und in Hohenschönhausen, wo sie auch lebten. Die zweite Hälfte des 19. Jahrhundert machte aus dem Dorf eine Stadt, die 1907 Stadtrecht erhielt.
Das 725. Jubiläum Lichtenbergs kann so Vergessenes und weniger Bekanntes wieder sichtbar machen und den Blick für die historisch gewachsene Stadtlandschaft neu öffnen.
Dr. Knut Käpernick