Rummelsburg – Kiez und Stadtoase am Wasser

Für die meisten Ortsteile Lichtenbergs ist das Mittelalter als Anfangszeit belegt. Da liegt die Historie von Rummelsburg noch im Dunkeln. Auch die kleinen archäologischen Fundstücke älteren Datums ergeben keine Siedlungsgeschichte. Immerhin lässt sich für eine Zeitreise im Jahr 1669 ein Beginn markieren, als in Höhe der heutigen Hauptstraße 2-3 , damals eine mit Mooren und Feuchtwiesen unwirtschaftliche Gegend, Berlin eine Ratsziegelscheune des Vorwerkes Boxhagen errichten ließ. Diese Niederlassung wird die Wiege von Rummelsburg.

Auf den Berliner Weinhändler Rummel, der um 1720 in der Nähe seine Schänke „Rummelsburg“ betreibt, geht zwar der Ortsname zurück, ein Wandel des abgelegenen Fleckens lässt sich aber erst im 19. Jahrhundert feststellen. Das deutete sich bereits mit gleich mehreren Eisenbahnlinien, mit Fabriken, wie die Norddeutschen Eiswerke und die Anilin-Fabrikation, aus der später die I.G. Farben Aceta hervorgeht, und den großen städtischen Neuanlagen eines Waisenhauses und eines Arbeitshauses in der Hauptstraße an. Um die Jahrhundertwende fügen sich ein Gänse - und Schweinemarkt, der alljährlich viele Fernhändler anzieht, ein 725 Jahre Lichtenberg reger Schifffahrtsverkehr und etliche Lokalitäten, darunter das berühmte „Bellevue“, zusammen.

Die Entwicklung wird entscheidend durch die zwischen 1872 und 1910 Wohnbebauung der Victoriastadt geprägt, die wachsende Bevölkerungszahlen und eine entsprechende Infrastruktur nach sich zieht. Benannt nach der englischen Königin, besticht das Wohnviertel durch seine ungewöhnliche Betonbauweise. Davon zeugen heute noch sechs unter Denkmalschutz stehende „Gussbetonhäuser“. Abgesehen von Heinrich Zille, der hier knapp zwanzig Jahre seines Lebens verbrachte, fördern auch Bauten wie das Großkraftwerk Klingenberg von 1926/27 oder der Schulkomplex Max Tauts von 1929 das Ansehen von Rummelsburg. Der 38 Meter hohe Schrotkugelturm in der Nöldnerstraße verhalf ihm sogar zu einem Wahrzeichen.

Auf der anderen Seite lassen sich überall im Ortsteil durch Straßennamen, Gedenktafeln und Stolpersteine deutliche Spuren finden, die an Verfolgung und Widerstand im Nationalsozialismus 1933-1945 erinnern. Da gehörte die Doppelgemeinde Boxhagen-Rummelsburg längst seit 1912 zu Lichtenberg. Zu DDR-Zeiten treffen dann Probleme aufeinander, die der Krieg, aber auch die sozialistische Planwirtschaft verursacht haben. Zum typischen Erscheinungsbild zählen miserable Wohnverhältnisse und ganze Straßenzüge mit maroden Häuserblöcken. Nach dem politischen Umsturz in der DDR 1989 änderte sich dieser Zustand. Heute lassen sich nicht nur die von Grund auf sanierte Victoriastadt mit dem einstigen Rathaus, jetzt das Stadthaus mit dem Bezirksmuseum, wiederentdecken. Außerdem wurde das an den Rummelsburger See angrenzende Gebiet zugänglich gemacht, in dem sich neue Wohnbauten in herausragender Stadtarchitektur präsentieren. Dabei wurde auch das Areal der berüchtigten DDR-Haftanstalt an der Hauptstraße 8 überbaut und zu Wohnquartieren umgestaltet. In dieser historischen Verbindung sind hier Informations- und Gedenkstelen aufgestellt und noch im Entstehen. Wer also etwas über die Geschichte von Rummelsburg wissen möchte, der kann, genau wie an anderen Stellen im Stadtviertel, auch an diesem Standort viel Wissenswertes erfahren.

Christine Steer