725 Jahre Lichtenberg – Große Geschichten der kleinen Dörfer
Welche Geschichten kann ein kleines Dorf erzählen, das vor 725 Jahren erstmals durch einen markgräflichen Erlass über die Grenzziehung zwischen der Stadt Berlin und den umliegenden Gemeinden Erwähnung fand?
Überliefert hat die Geschichte nur wenig, doch für ein einfaches Dorf vergleichsweise viel. Die vermutlich als Gründungsgeschlecht anzusehende Familie Ruthnick muss den Ort schon 1391 an die Stadt Berlin veräußern und spätestens seitdem ist das Geschehen Lichtenbergs eng mit dem der Stadt Berlin verbunden. Das soll sich bis in die Gegenwart fortsetzen und betrifft auch jene Dörfer, die heute zu den historischen Ortsteilen des Bezirkes gehören.
Es sind nicht nur 725 Jahre ländlichen Lebens vor den Toren der Stadt Berlin, das von Kriegen, widrigen Naturereignissen und Epidemien betroffen ist. Ein jeder der heutigen historischen Ortsteile erlebt auch Blütezeiten, die eine enge Verbindung zu der brandenburgischen und preußischen Geschichte sichtbar machen. Es sind vor allem Personen, die durch Ihre Besitzungen und ihr Wirken diese „großen Geschichten“ schreiben. Dazu zählen als erster der Herr Ruthnick, „Herr Nikolaus, unser Vogt zu Spandau“ und einige „andere glaubwürdige Leite mehr“, die vom Markgrafen würdig erachtet wurden, den Grenzverlauf sowohl „für die Zeitgenossen als auch für die Nachkommen“ festzusetzen.
In Hohenschönhausen ist es zuerst das Geschlecht derer von Röbel, die mit Grundbesitz einerseits und mit militärischen Aktivitäten andererseits die Geschichte von Ort und Mark mitbestimmen. Christian Dietrich von Röbel (1639-1723) kämpft als General der Infanterie erfolgreich gegen die Osmanen.
Auch die Besitzer von Malchow, das Geschlecht von Barfuß, tut sich durch militärisches Engagement hervor. Hans Albrecht von Barfuß wird für seine Leistungen in den „Türkenkriegen“ vom Markgrafen zum Generalfeldmarschall befördert. 300 Jahre hat ein Zweig der zur Gründergeneration der brandenburgischen Besiedelung zählenden Familie in Malchow Einfluss auf die lokale Geschichte. Heinrich von Barfuß ist ihr letzter Vertreter. Danach ist Malchow für über 20 fruchtbare Jahre im Besitz des Freiherren Paul von Fuchs, federführend u.a. beim Toleranzedikt von Potsdam, das der Große Kurfürst veranlasst, dessen Vertrauter Staatsminister von Fuchs ist.
In Friedrichsfelde begründet am Ende des 17. Jahrhunderts der kurfürstliche Marinegeneral Benjamin Raulé sowohl das Schloss als auch die erste deutsche überseeische Handelsgesellschaft. Kurfürst Friedrich III., ab 1701 Friedrich I., König von Preußen, benennt den Ort Rosenfelde 1699 in Friedrichsfelde um, nachdem er es dem ehemaligen Freibeuter Raulé als Besitz entzogen hatte. Von vielen historisch wirksamen Personen bewohnt ist Friedrichsfelde ein Ort, der sich einer großen und reichhaltigen Geschichte rühmen kann. Bekanntester Spross ist Prinz Louis Ferdinand von Preußen, ein kunstsinniger wie verwegener Spross der Hohenzollern. Er stirbt 1806 im Kampf gegen die napoleonischen Eindringlinge in der Schlacht bei Saalfeld.
Eine Fußnote nur und doch ein Glanzlicht der Geschichte ist der Erwerb des Gutes Falkenberg 1791 durch Marie Elisabeth von Humboldt. Sie lässt die Kirche im Zeitstil umbauen, verfügt ihr Begräbnis im Ort und ein Legat, das dem Erhalt der Kirche und der Schule bis in das 20. Jahrhundert dient.
Von 1783 bis zu seinem Tod 1823 ist das Gut Wartenberg im Besitz des preußischen Staatsministers Otto Carl Friedrich von Voß. Er ist in das preußische Reformbemühen einzuordnen, mit dem über viele historische Schritte aus dem feudalen ein bürgerlich verfasster Staat erwachsen sollte. In diesem Zusammenhang rückt auch das Dorf Lichtenberg in das geschichtliche Geschehen, als das Gut infolge der Lockerung der Besitzverhältnisse 1806 von Karl August von Hardenberg gemeinsam mit dessen Vertrauten Christian Friedrich Scharnweber erworben wird. Im Mai 1810 treffen diese mit anderen Reformern in Lichtenberg zusammen, um die Grundzüge der Harden-bergschen Reformen und die „Revolution von Oben“ zu besprechen. Scharnweber erwirbt 1815 das Gut Hohenschönhausen, das bis 1842 im Familienbesitz bleibt und dem Sohn Georg Scharnweber den Sprung in die Politik ermöglicht.
Carl Sigismund von Treskow und Peter Joseph Lenné setzen vorerst den Schlusspunkt der Großen Geschichten dieser kleinen märkischen Dörfer, ehe diese im 19. Jahrhundert vom Wandel der Industrialisierung ergriffen werden und sich zunächst zu Vororten und, wie Lichtenberg und Hohenschönhausen im 20. Jahrhundert, zu Großstadtbezirken entwickeln.
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