26. Juni 2015 bis 28. Februar 2016 

+++ verlängert bis 20. März +++

Stein | Schlacke| Beton – Neues Bauen in Lichtenberg

Der Bezirk Lichtenberg wird in der allgemeinen Wahrnehmung nicht selten mit der „Platte“ in Verbindung gebracht, aber der damit einher gehende negative Beigeschmack hält einer genauen Betrachtung nicht stand. Wenn anderswo die Bauten der Moderne des 20. Jahrhunderts auf Touristenrouten verzeichnet und große Gebäudeensembles als Kulturerbe ausgewiesen sind, stehen vergleichbar bedeutsame Bauwerke in Lichtenberg am Rande der allgemeinen Aufmerksamkeit – auch das ganz zu Unrecht.

Mit der Ausstellung „Stein.Schlacke.Beton –Neues Bauen in Lichtenberg“ greift das Museum Lichtenberg ein lange geplantes Thema auf, das die Geschichte des Bauens nicht nur als einen Gegenstand von lokaler Bedeutung erfahrbar machen will.

Wie an keinem anderen vergleichbaren Ort finden sich auf unserem heutigen Territorium Bauten und Bauweisen, die eines verdeutlichen: eine neue Epoche der Geschichte, das industrielle Zeitalter, brachte notwendig auch die Industrialisierung des traditionellen Baugewerbes mit sich. Das betrifft Bauweise und Baustoffe gleichermaßen. In Lichtenberg lässt sich diese Geschichte in zwei Jahrhunderten verfolgen. Von den Siebzigerjahren des 19. bis in die Achtzigerjahre des 20. Jahrhunderts sorgten Stein, Schlacke und Beton für neue Wege in der Wohn- und Nutzbebauung. Englischer Beton der Portland-Zement AG unter Beimischung von Schlacke wurde für die effizienten und billigen Bauten in der Victoriastadt eingesetzt. In Karlshorst stehen, ungenutzt und kaum bekannt, Flugzeughallen. Sie gehören zu den letzten in Deutschland noch erhaltenen und schon 1907 errichteten Großhallen in Spannbetonbauweise. In Friedrichsfelde entstand die erst in Deutschland gebaute Kleinsiedlung in Großtafelbauweise. Betonguss- und Krantechnik wurden hier erstmals in Serienproduktion erprobt. In der Nähe der Landsberger Allee bauten 1962 engagierte Architekten den Prototyp der „DDR-Platte“, den Experimentalbau P 2 Fennpfuhl. Die auf der Grundlage dieses Typs entwickelten WBS Reihen wurden weltweit zu 80 Millionen Wohnungen verbaut.

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    Luftschiffhalle A (Quelle: Beuth Hochschule)

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    Flusspferdsiedlung Hohenschönhausen (Quelle: Beuth Hochschule)

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     P2 Farbige Außenansicht (Quelle: Museum Lichtenberg)

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    Erlenhof (Quelle: Beuth Hochschule)

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    Dingelstaedter Straße (Quelle: Museum Lichtenberg)

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    Splanemannsiedlung
    Deutsche Bauzeitung 1926 (Quelle: Museum Lichtenberg)

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    Splanemannsiedlung modernisiert (Quelle: Museum Lichtenberg)

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    Sonnenhof Straßenecke G 89 a (Quelle: Beuth Hochschule)

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    St. Antonius 1930
    Industrie-Fotografen Klinke & Co. (Quelle: Museum Lichtenberg)

 

Diese Bauten und ihre Bauweise sind vor allem Ausdruck und Essenz des industriellen Bauens in einem Zeitalter, in dem die Kultur von der industriellen Fertigung geprägt wurde und eine Egalisierung der Wohn- und anderen Lebensverhältnisse in den Städten hervorbrachte. So finden sich auch Bau- und Siedlungstypen der Zwanzigerjahre des 20. Jahrhunderts in ihren „Urformen“. Bauten wie Sonnen-, Ulmen-, Erlen-, Pappel-, oder Flusspferdhof ermöglichten vor allem der arbeitenden Bevölkerung ein Menschenwürdiges Wohnen in hellen, funktionalen und von lichten Höfen flankierten Bauensembles. Die Kleinhaussiedlungen in Karlshorst und Hohenschönhausen boten nicht begüterten Familien bescheidenen Wohnstandard und Nutzgärten. Urbane Funktionsbauten im schnörkellosen aber farblich durchdachten Stil der Neuen Sachlichkeit prägen ganze Straßenzüge entlang der Rummelsburger- und Weitlingstraße. Das Großschulprojekt an der Fischerstraße, die heutige Max-Taut-Schule, war der erste Schulbau, der neben der Schul- auch eine soziale Funktion erfüllen sollte -Bildung und Kultur für die neue Stadtbevölkerung von Lichtenberg. Medizinische Einrichtungen wie das heutige Oskar-Ziethen- oder das in seiner Funktion nicht mehr erhaltene St. Antonius –Krankenhaus zählten in ihrer Entstehungszeit zu den modernsten medizinischen aber auch architektonischen Gebäuden. Das Neue Bauen diente in einer industrialisierten Welt dem neuen Leben mit allen ihren Erfordernissen und Folgen. Lichtenberg hat davon viele Zeugnisse aufzuweisen. Nicht alle kann eine Ausstellung vorstellen. Aber um den historischen Wert zu ermessen, reicht das Nennen einiger der „Baumeister“ aus. Sie hinterließen Bauten in unserem heutigen Bezirk:
Bruno und Max Taut, Martin Wagner, Peter Behrens, Erwin Gutkind, Paul Mebes, Jakobus Goettel, Wilhelm Primke, Paul Emmrich, Richard Reich, Otto Kuhlmann. Zu würdigen und zu werten wissen das am Tag der Eröffnung der Architekt Dr. Ing. André Deschan (Beuth Hochschule für Technik), der Architekturkritiker Prof. Bruno Flierl und der Architekt und Stadtplaner Prof. Wilfried Stallknecht.

Museum Lichtenberg im Stadthaus
Türrschmidtstraße 24 | 10317 Berlin | Telefon 030 57 79 73 88 12/18 | Di bis Fr und So 11-18 Uhr 

→ Begleitveranstaltungen zur Ausstellung »Stein. Schlacke. Beton«

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